Stellungnahme:
"Doch was am Anfang dir wie Nektar scheint, und dann am Ende Gift ..." (Bhagavad-Gita 18.38)Anders als Nori Muster glaube ich, daß "suchthaftes" Verhalten im sog. "Krishna-Bewußtsein" keine Folge einer Fehlinterpretation von Prabhupadas Lehren ist, sondern bereits in der Grundstruktur angelegt. Ob solches Verhalten "gewollt" ist, darüber vermag ich nichts zu sagen; doch wenn suchthaftes Verhalten auftritt, wird es auch nicht gerade mit Ablehnung begrüßt. "Auf der heiligen Stufe" befindet man sich, wenn man davon "nicht mehr genug kriegen kann", wenn man vom sog. Krishna-Bewußtsein "trunken" ist.
Wer immer die Bhagavad-Gita verfaßt hat, ein äußerstes Anliegen scheint ihm die "Gesundung" seiner Leser zu sein. ISKCON ist ein System, das krank machen kann, aber anders als ein physisches Leiden hinterläßt diese Krankheit keine starken, fühlbaren Schmerzen, die man deutlich lokalisieren kann.
Auch erfordert, anders als physische Drogen, ISKCON keine "Substanz", die man sich ständig zuführen müßte, bei der man zumindest durch den Akt des Verabreichens immer wieder daran erinnert wird, daß man eine Droge nimmt.
Der Buddhismus und die aus dem Hinduismus stammenden Lehren der Bhagavad-Gita stimmen darin überein, die Ursache allen Leidens sei die Begierde, und trotz der Unterschiede - das Leiden zum Stillstand zu bringen ist das erklärte Ziel beider Philosophien. Auch nach den Lehren der ISKCON, basierend auf einem bestimmten Teilbereich hinduistischer Theologie, besteht der Idealzustand, darin, keine Wünsche zu haben, zu dem die ISKCON den Gläubigen (angeblich) hinführen will.
Interessenten und Anhänger werden jedoch angefüttert mit Paradieshoffnungen, etwa Freundschaft, Romantik oder der Sehnsucht nach der glücklichen Kinderzeit. Auch "fortgeschrittene" Mystiker (sofern denn das System der ISKCON zur Hervorbringung wirklicher Mystik überhaupt geeignet ist) sind nicht "wunschlos", sondern versenken sich in die Liebesbeziehung von Radha und Krishna oder etwas anderes aus diesem reichhaltigen "Universum", das ihnen zusagt.
In dieser Hinsicht ähnelt die krishnaitische Gottesliebe in ihrer Extremform den Geschichten von Ekstase und Sinnlichkeit etwa katholischer Heiliger. Auch die Leute, die bei einer ansonsten asketischen Lebensweise Visionen und Stigmata erlitten, empfanden dabei häufig eine dem normalen Sterblichen schwer zugängliche Seligkeit. "Transzendentale" Begierde ist letzten Endes ebenfalls Begierde, aber sie kann für denjenigen, der sie durchlebt, zu einer lebensbeherrschenden Quelle der Inspiration werden. Alle echten Mystiker waren mit sich im reinen. Werden die Wünsche und Sehnsüchte suchender Menschen jedoch ausgebeutet für eigennützige Ziele und Zwecke, so wandelt sich die emotionale Öffnung des Mystikers von einem Quell der Inspirationen zu einer Quelle des Leids.
"Wer ernsthaft Wahrheit sucht, der findet SIE, wenn er SIE in sich aufnimmt, in sich selbst."