Hare Krishnas and Evolution
German translation below
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"Der Kongress darf kein Gesetz verabschieden, welches die Institutionalisierung einer Staatsreligion (establishment of religion) anerkennt,
oder eines, welches die freie Religionsausübung verbietet …" (Erster Verfassungszusatz, US-Verfassung)
Amici curiae (lateinisch: Freunde des Gerichts) sind im amerikanischen Recht Individuen oder Organisationen, die zwar nicht vom zu verhandelnden Fall selbst betroffen sind, aber Informationen besitzen, die das Gericht bei der Urteilsfindung berücksichtigen sollte. Sie reichen – ähnlich wie Gutachter - bei Gericht Stellungnahmen (Amici curiae brief) ein und können auch in der mündlichen Verhandlung aussagen.
Die Hare Krishnas schalten sich in den Streit um die Evolutionstheorie ein (2005)
"Nicht-christliche Minderheitenreligion" hält Gerichtsentscheidung für "religionsfeindlich"
Obwohl die Debatten über die Evolution, den Kreationismus (Schöpfungslehre) und "Intelligentes Design von Lebewesen" sich üblicherweise zwischen Säkularisten (Vertreter einer weltlichen Anschauung) und Christen abspielen, gibt es doch in den meisten Religionen Glaubensvorstellungen über den Ursprung der Welt.
Kürzlich schaltete sich die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON) – besser bekannt als Hare Krishna – in die Debatte ein, indem sie als Amicus Curiae oder "Freund des Gerichts" eine Stellungnahme abgab. Der fragliche Fall betraf einen Beschluss der Schulbehörde von Cobb County (Georgia), Schulbücher mit Aufklebern zu versehen, die folgende Aufschrift tragen: "Dieses Schulbuch enthält Lehren über die Evolution. In Bezug auf den Ursprung der Lebewesen ist die Evolution eine Theorie, keine Tatsache. Den Textpassagen sollte mit gedanklicher Offenheit begegnet werden; sie sollten sorgfältig untersucht und kritisch betrachtet werden." Nach einer Entscheidung des U. S. District Court (eines US-Bundesverfassungsgerichts in 1. Instanz) stellten diese Aufkleber eine Institutionalisierung der christlichen Religion von Staats wegen dar, was gegen die Trennung von Kirche und Staat verstoße. Dagegen legte die Schulbehörde Berufung ein. Im Berufungsverfahren trat ISKCON Atlanta als Amicus Curiae auf. Nachfolgend einige Auszüge aus ihrem amici curiae brief:
"ISKCON Atlanta sieht in dem fraglichen Aufkleber keine übermäßige Betonung des Christentums zum Nachteil vedischer oder hinduistischer Auffassungen. Der fragliche Aufkleber trifft überhaupt keine Aussage über das Christentum, die Bibel, Gott oder überhaupt irgendeine Religion. Würde die Schulbehörde Aufkleber anordnen, welche sich tatsächlich zwingend auf christlich-fundamentalistische Sichtweisen oder den biblischen Schöpfungsbericht beziehen, so würde sich ISKCON Atlanta als nicht-christliche Minderheitenreligion betroffen fühlen. Aber der Aufkleber bezieht sich lediglich auf die Evolution. ISKCON Atlanta empfindet Wertschätzung für die neutrale Haltung der Schulbehörde und ist der Überzeugung, dass nach der Sicht eines gebildeten und vernünftigen Betrachters in dem von der Schulbehörde angeordneten Aufkleber weder staatliche Bevorzugung noch staatliche Ablehnung einer Religion zum finden sei.
Das erstinstanzliche Gericht wendet den Ersten Verfassungszusatz in einer Weise an, die religionsfeindlich ist. Indem das erstinstanzliche Gericht den neutral abgefassten Wortlaut des Aufklebers überdehnte, um darin eine staatliche Bevorzugung einer Religion zu finden, behinderte es damit die Bemühungen der Schulbehörde, denjenigen Eltern und Schülern, die Unterricht in Evolutionstheorie aus religiösen Gründen ablehnen, mit gesetzlichen Mitteln eine Heimstatt zu bieten. Die Verfassung verlangt und betont, dass allen Religionen nicht nur Toleranz, sondern auch eine Heimstatt entgegengebracht werden soll. Die Bemühungen der Schulbehörde gingen dahin, dieses Gebot zu erfüllen. Die Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts beschneidet in unzulässiger Weise den verfassungsmäßigen Spielraum, indem Nicht-Religion zuungunsten der Religion bevorzugt wird.
Das erstinstanzliche Gericht argumentiert unzutreffend, dass der Aufkleber eine staatliche Bevorzugung einer Religion herbeiführe, weil […] die Frage, ob die Evolutionslehre eine [bloße] Theorie oder aber eine [erwiesene] Tatsache ist, in der Vergangenheit von christlichen Evolutionsgegnern "strategisch" benutzt wurde, um den Schulunterricht in Evolutionslehre zu verwässern. Durch die Tatsache, dass Christen diese "Strategie" benutzt haben, wird die Strategie jedoch keinesfalls zu einer "Strategie der Christen". Wäre dem so, so könnte kein Gedanke, den Christen vertreten, jemals von der Regierung übernommen werden. Dieselbe Analyse könnte auch eines Tages angewendet werden, um die Regierung daran zu hindern, Ideen zu übernehmen, welche die ISKCON zu fast jedem Thema vertritt.
Eine solche Haltung ginge eindeutig zu weit.Der Aufkleber trifft keine Aussage, die als Bevorzugung eines Schöpferglaubens gegenüber der Evolutionslehre gedeutet werden könnte. Zudem findet man die Anerkenntnis eines Schöpfers nicht nur in der Religion, sondern auch in der Philosophie, und sogar in der Wissenschaft. Die Gerichte sollten anerkennen, dass Gott im Bereich von (1) Religion, (2) Philosophie und (3) Wissenschaft sehr verschiedene Rollen innehat. Der Gedanke, dass die Idee von Gott den Religionen inhärent ist, sollte nicht für immer und ewig die Möglichkeit ausschließen, dass Gott im der Wissenschaft eine Rolle spielen kann. In der Welt der Wissenschaft haben viele Wissenschaftler die Vorstellung von Gott in ihre wissenschaftliche Arbeit aufgenommen.
Zu verschiedenen Zeiten hat die Wissenschaft eine Reihe metaphysischer Annahmen über die Natur der Realität benutzt. Heutzutage verwenden zahlreiche Wissenschaftler metaphysische Annahmen, die rein materialistisch sind. Andere Wissenschaftler wünschen, ihre wissenschaftliche Arbeit auf der Grundlage anderer metaphysischer Annahmen durchzuführen, unter anderem auf der Annahme der Existenz Gottes als intelligenter Designer. Mehrere Mitglieder der ISKCON haben in die wissenschaftliche Diskussion Beweise eingebracht, welche den heutigen Theorien widersprechen; von ihnen stammt auch der Gedanke, dass bei der Entstehung des Lebens Gott eine Rolle spiele. In der wissenschaftlichen Welt besteht deutliches Interesse an Beweisen, welche die gegenwärtigen Evolutionstheorien widerlegen.
Durch die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts werden legitime wissenschaftliche Debatten erstickt. Sie suggeriert, dass die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit diese wissenschaftlichen Anschauungen als unwissenschaftlich einschätzt, als bloßen Ausdruck religiösen Glaubens statt wahrer Wissenschaft. Diese Ideen jedoch sind, unabhängig davon, ob sie durch religiösen Glauben inspiriert oder zur Kenntnis gebracht wurden, tatsächlich wissenschaftliche Theorien im Bereich der Wissenschaft entsprechend der wissenschaftlichen Vorgehensweise, und keine religiösen Theorien.
Zu guter Letzt, selbst wenn der Aufkleber die Möglichkeit eines Schöpfers suggerieren würde, was er nicht tut, so würde diese Suggestion Respekt und Toleranz für Völker hervorbringen, die in unserer religiös vielfältigen Nation abweichende Ansichten hegen – ein wertvolles säkulares Ziel, welches Religion nicht staatlich bevorzugt."
http://www.beliefnet.com/story/171/story_17136_1.html